18. május 2015

Gegen Menschenhandel – das geschah auf der letzten Reise

Seit anfangs 2013 kämpft CSI gegen den Menschenhandel im Bundesstaat Jharkhand. Es ist ein landesweites Vorgehen nötig. Projektleiter war an der Vorbereitungskonferenz dabei, hat mit befreiten Opfern gesprochen und erste Schritte für ein CSI-Schutzhaus geplant.

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Was ist Menschenhandel? Wie funktioniert dieses Verbrechen? Welches sind die Opfer? Wie sieht die Situation in Indien aus? Was kann dagegen unternommen werden? Auf solche Fragen wurden an der zweitägigen Konferenz, die ich auf meiner letzten Reise besuchte, Antworten gesucht. Die Konferenz wurde von Parul Singh*, unserer Projektpartnerin in Indien, und weiteren Interessengruppen organisiert. Das Ziel ist es, ein indienweites Netzwerk zur Bekämpfung des Menschenhandels aufzubauen. Rund 100 Personen waren anwesend, unter ihnen Vertreter mehrerer Hilfswerke, die sich bereits gegen Menschenhandel engagieren, und Vertreter aus diversen Kirchen. Die Verbrecher sind so gut vernetzt, dass auch zur Bekämpfung des Menschenhandels ein gut organisiertes, landesweites Netzwerk nötig ist.

Die Teilnehmenden wurden fundiert informiert und zum Einsatz gegen Menschenhandel ermutigt. Die Betroffenheit war enorm: Je mehr man über den Menschenhandel erfährt, desto klarer wird einem die unglaubliche Tragweite dieses unbeschreiblichen Verbrechens. In zahlreichen Gesprächen wurden neue Ideen und Strategien besprochen. Vieles wurde in den Herzen der Teilnehmenden in Gang gesetzt, das erst mal zu Hause verarbeitet werden muss. Jeder wurde persönlich herausgefordert, zu überlegen, was er gegen den Menschenhandel tun kann. Sehr erfreulich: Am Ende der Konferenz verpflichteten sich 13 Teilnehmende dazu, in ihrem jeweiligen Bundesstaat ein Netzwerk zur Bekämpfung des Menschenhandels aufzubauen. Als Vorbild dient unsere Arbeit im Bundesstaat Jharkhand, die wir anfangs 2013 begonnen haben.

Drei Teams, viele Freiwillige

Nach der Konferenz reisten unsere Projektpartnerin Parul Singh und ich in den Bundesstaat Jharkhand. Zum einen wollten wir mit unseren Mitarbeitern die weiteren Schritte planen und sie ermutigen, zum anderen auch mit kürzlich befreiten Opfern von Menschenhandel Zeit verbringen, ihre Geschichten anhören und über ihre Zukunft sprechen. Das Team besteht aus lokalen Gruppen in drei Städten. Unter der Leitung des Anwalts Prakash* engagieren sich die Gruppen Tag und Nacht in den Bereichen Prävention, Befreiung und Rehabilitation. Mit Seminaren und Schulungen vertiefen sie die bereits bestehende Zusammenarbeit mit Polizei, Behörden, Sozialarbeitern, Kirchenmitgliedern und Freiwilligen vor Ort. Besonders die wachsamen Blicke der Freiwilligen – Ladenbesitzer, Markthändler, Bus-, Taxi- und Rikscha-Fahrer – sind von grosser Bedeutung: Es kam schon öfters vor, dass junge Opfer, die gerade mit einem Menschenhändler auf dem Weg in eine grössere Stadt waren, von einem Freiwilligen erspäht wurden. Diese alarmieren sofort unser Team – so kann verhindert werden, dass junge Menschen in der Anonymität einer Grossstadt verschwinden.

Gerade noch gerettet

Namrata** ist ein fünfjähriges Mädchen. Ich traf es im Haus unserer Mitarbeiter an. Namratas Körperhaltung sprach Bände: Sie war völlig verspannt, der Gesichtsausdruck gequält, der Blick immer auf den Boden gerichtet. Sie sprach kein einziges Wort. Nur in der Gegenwart von Kindern fühlte sie sich einigermassen wohl. Namratas Vater hat die Familie vor einigen Jahren verlassen, die Mutter verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von billigem Likör. Was Namrata Schlimmes erlebt hat, weiss nur sie. Aber ihr Verhalten lässt Böses erahnen.

Als die kleine Namrata plötzlich verschwand, beunruhigte dies niemanden. Warum auch? Ein Kind weniger heisst weniger Aufwand und weniger Kosten. Namrata wurde zusammen mit einer Freundin in der Nähe ihres Hauses von einer Händlerin entführt. Nur per Zufall konnte der Transport in eine andere Stadt verhindert werden: Mitglieder unseres Teams waren unterwegs in eine Schule, um die Schüler über Menschenhandel aufzuklären. Unterwegs verfuhren sie sich. Als sie an der Strasse eine Frau mit zwei Mädchen an der Hand sahen, wollten sie sie nach dem Weg fragen. Die Frau liess die beiden Mädchen stehen und rannte davon – sie hielt den Geländewagen wohl für ein Polizeiauto und bekam es mit der Angst zu tun. Leider konnte die Menschenhändlerin entkommen. Aber die beiden Mädchen waren gerettet – eines von ihnen war Namrata. Während unser Team Namratas Freundin in ihre Familie zurückbrachte, merkten sie, dass bei Namrata weitere Abklärungen nötig waren. Als schliesslich klar wurde, dass das Risiko einer erneuten Entführung oder eines Verkaufs bestand, brachten sie Namrata in ein von Nonnen geführtes Internat. Hier ist das Mädchen unter Gleichaltrigen und fühlt sich sehr wohl. Sie ist in Sicherheit, wird liebevoll betreut und erhält eine gute Ausbildung. Bis sie ihre traumatischen Erlebnisse verarbeitet hat, wird es aber wohl noch lange dauern.

Dilip lässt nicht locker

Suraj** ist ein etwa 14-jähriger Junge. Ihm wurde vor drei Jahren von einer Bekannten ein Job angeboten, wofür sein Vater sehr dankbar war. Ohne lange zu überlegen, gab er den Jungen der Faru mit. Dilip**, einer von Surajs Freunden, war jedoch von Anfang an misstrauisch. Als er nach einigen Wochen immer noch nichts von Suraj gehört hatte, fragte er die Frau, die Suraj den Job angeboten hatte, wo er sei und wie es ihm gehe. Doch drei Jahre lang wies die Frau ihn immer wieder ab und gab keine Antwort. Dilip liess nicht locker, was natürlich sehr lästig für die Frau war und für Dilip nicht ungefährlich. Es gelang ihm schliesslich, die Telefonnummer der Frau ausfindig machen und er kam damit zu unserem Team. Ein Teammitglied rief die Frau an und gab sich als Polizist aus. Ihr drohe eine lange Gefängnisstrafe, wenn sie den Jungen nicht sofort zurückbringe. Für die Menschenhändlerin war das nicht einfach, da er bereits von einem Händler zum andern weitergereicht worden war. Doch mit der Drohung der «Polizei» in den Ohren setzte sie alles daran, Suraj zu finden und zurückzubringen.

Suraj hat drei fürchterliche Jahre durchgestanden. Er musste wie ein Tier schuften, wurde misshandelt und sexuell missbraucht. Als wir Suraj und Dilip trafen, war es unglaublich zu sehen, wie unterschiedlich sich die beiden Jungen verhielten: Dilip war wach, vital und sehr erzählfreudig. Suraj sass völlig verkrampft, den Blick auf den Boden gesenkt, wortlos da. Beide hatten Angst, in ihr Dorf zurückzukehren. Da sie das erste Glied dieses Menschenhandels-Netzwerks kannten, hätten sie sich dadurch in Lebensgefahr gebracht. Sie leben deshalb zurzeit bei einem Teammitglied, bis wir einen Platz für sie finden, wo Dilip studieren und Suraj lesen und schreiben lernen kann und auch psychologisch betreut wird.

Dank des hartnäckigen Nachhakens von Dilip ist sein Freund Suraj heute frei. Wir sind unendlich dankbar dafür und auch Suraj wird es seinem Freund wohl nie vergessen.

Ein eigenes Schutzhaus

Abschliessend besprach ich mit Parul Singh und Prakash auch noch unsere Pläne für ein eigenes Schutzhaus. Im Moment müssen wir die befreiten Kinder an Orten unterbringen, wo sie nicht optimal betreut werden können. Wegen der grossen Anzahl Kinder können sie nicht die nötige psychologische Unterstützung bekommen. Zudem besteht das Risiko, das ein Kind von einem sogenannten Verwandten abgeholt und erneut verkauft wird. Wir möchten deshalb ein eigenes Schutzhaus bauen, das spezifisch auf die Opfer von Menschenhandel ausgerichtet ist. Wir besuchten einen Pfarrer, der uns auf der Suche nach einem Stück Land helfen wird. Herzlichen Dank allen, die den Aufbau eines solchen Schutzhauses unterstützen!

Aus Sicherheitsgründen: *Name geändert, **geänderte Namen bei Opfern


CSI-Projekte in Indien

Neben dem Kampf gegen Menschenhandel hilft CSI in Indien auch den Opfern von religiöser Diskriminierung und Verfolgung. Schwerpunkt ist dabei die Hilfe für die über 50’000 Christen, die 2008 von Hinduextremisten aus ihren Dörfern gejagt wurden und alles verloren haben. Noch immer haben nicht alle die nötige Unterstützung erhalten, um wieder ein menschenwürdiges Leben zu führen. CSI hat seit dem Projektstart im Jahr 2010 schon Hunderten von Familien geholfen, wieder auf eigenen Füssen zu stehen.

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